Medizinbericht 02
Deutschland-Italien-Tunesien-Ägypten-Sudan-Kenia
September 2020 – März 2021
7 Reisemonate
20.000 Kilometer
Der folgende Bericht beruht auf persönlicher Erfahrung und erhebt keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Die beschriebene Therapie sowie die Vorgehensweisen bei Krankheit und Therapieproblemen unterscheiden sich auf der Reise durch ferne Länder oft grundlegend von denen in unserem ärztlich gut aufgestellten Heimatland. Ich möchte hier kurz darstellen, wie ich trotz chronischer Erkrankung mit etwas Vorbereitung, ein wenig Fachwissen, der nötigen Disziplin, etwas Improvisationsgeschick und einer guten Basis in der Heimat ein Reisevorhaben beliebiger Länge in die Tat umsetzten kann.
Die Vorbereitung einer solchen Reise ist weniger aufwendig als viele denken. Dennoch gibt es ein paar Dinge zu erledigen. Bevor es losgeht, ist es empfehlenswert sich die nötigen Schutzimpfungen für die geplanten Reiseländer zu besorgen. Bei dieser Reise wurden anstandslos alle Impfungen von unser beider Krankenkassen übernommen (Josh: Barmer, Joana: DAK). Für weitere Nachfragen zu den weltweit empfehlenswerten Impfungen können wir ohne Bedenken die tropenmedizinische Praxis Dr. Marion Fuhrmann in Fulda empfehlen. Marion ist selbst viel in der Welt unterwegs und kennt die Reisepraxis aus erster Hand. Sie hat uns stets hervorragend beraten und ihr Wissen über die Besonderheiten der verschiedenen Länder ist beeindruckend. Am besten gefällt uns, dass sie kein Blatt vor den Mund nimmt, aber auch nichts überspitzt, als übertrieben gefährlich darstellt oder versucht einem die Reiseroute auszureden. Wir haben da mit anderen Ärzten durchaus andere Erfahrungen gemacht. Die Impfungen werden in der Regel rezeptiert und direkt an den Hausarzt, in unserem Falle die Gemeinschaftspraxis Großcurth in Haunetal, geliefert und dort verabreicht. Bei genauer Kenntnis der nötigen Impfungen können die einzelnen Dosen auch direkt über den Hausarzt verordnet werden.
Unsere bisherigen Reiseimpfungen:
Gelbfieber,
Cholera (2 Dosen),
Japanische Enzephalitis (2 Dosen),
Pneumokokken (2 versch. Typen),
Meningokokken (2 Dosen),
Hepatitis A/B (2 Dosen),
Tollwut (3 Dosen),
FSME (3 Dosen),
Typhus,
Corona (2 Dosen).
Für unsere Reise durch drei, eventuell vier Kontinente brauchten wir also 20 Spritzen. Um die empfohlenen Impfabstände ungefähr einhalten zu können und die regelmäßigen Arztbesuche nicht in Stress ausarten zu lassen, sollte man am besten ein Jahr vor Abreise mit der Impfplanung beginnen. Wer Impfungen eher skeptisch gegenüber steht, braucht nur Gelbfieber, in seltenen Fällen Cholera und mittlerweile Covid. Die anderen Impfungen werden an keiner mir bekannten Grenze kontrolliert. Aus eigener Erfahrung und nach Rücksprache mit der MUKO Ambulanz, Tropeninstitut und Hausarzt kann ich präventive Impfungen, gerade mit einem etwas schwächeren Immunsystem, definitiv empfehlen. Ein paar Nebenwirkungen im heimatlichen Haunetal vor dem Kamin mit dem nächsten Krankenhaus und Rettungsdienst in Rufnähe ist einer anständigen fiebrigen Typhusinfektion in der heißen Steppe des südlichen Sudan, 600 Kilometer vom nächsten Krankenhaus entfernt, eindeutig vorzuziehen.



Als Orientierung hier mal mein Monatsbedarf:
400 Einheiten NovoRapid Insulin (1,3 Ampullen)
300 Einheiten Levemir Insulin (1 Ampulle)
100 Blutzucker-Messtreifen (Morgens/Abends/Zuckerentgleisung)
30 Nadeln für die Insulinpens (muss man nicht jeden Tag wechseln)
10 Nadeln für das Messgerät
500 Kreonkapseln (im Ausland wird das Essen gerne mal fettiger)
30 Antibiotika Tabletten (Dauerantibiose Grüncef 1000mg/Tag)
60 Tabletten Kaftrio
30 Tabletten Kalydeco
60 4ml Ampullen Mucoclear 3%
Salbutamol Spray

Zu alledem kommt natürlich noch eine Erste Hilfe Tasche, um in akuten Notfällen sich selbst oder anderen helfen zu können (siehe Bilder). Eine Satteltasche ist mit dem medizinischen Bedarf voll ausgelastet. Jetzt gilt es an Unterhosen zu sparen, um den Platzmangel zu kompensieren :-D.
Die genannten Tabletten müssen für den effektiven und platzsparenden Transport umgepackt werden. Ich löse sie aus ihren übertriebenen Papier-Plastik-Blister Riesenverpackungen heraus und fülle sie in kompakte Dosen oder Flaschen. Hierbei auf saubere Hände und trockene Umgebung achten. Die Gefäße sollten am besten aus flexiblem, aber robustem Hartplastik bestehen (einfach mal auf ein leeres Gefäß drauftreten und schauen ob es überlebt) und wasserdicht sein (auch das vorher prüfen). Die alten, weißen Kreondosen aus Plastik sind hervorragend geeignet (mittlerweile bekomme ich oft welche in Glasfläschchen höchst ungeeignet, schwer, zerbrechlich und nicht wasserdicht). Wer seine Reise etwas im Voraus plant, sollte jede leere Dose, der er habhaft werden kann, sammeln. Am besten vor Abfahrt zur großen Reise auf ein paar kleinen Touren testen, welche am geeignetsten sind. Ich habe große Vorratsdosen mit den einzelnen Medikamenten befüllt und zusätzlich zwei kleinere Dosen mit dem Zehntagesbedarf, einem Mix der benötigten Medikamente für die kommenden zehn Tage (Kreon/Antibio+Kaftrio+Kalydeco). Dazu kommt die Tagesdose (alles was ich am Tag brauche). Beim Umpacken sollte man auf ordentliche Beschriftung achten, am besten mit Klebeetiketts, dann muss man keine Dose unnötigerweise öffnen, um zu schauen was drin ist. Die Gefahr der Verunreinigung oder Feuchtigkeit ist zu hoch, wenn man die Dosen ständig öffnet (Das Umfüllen findet nicht immer dort statt, wo man es sich wünscht, wenn die Tagesdose aufgebraucht ist).

Neben der Anfälligkeit für Vibrationen kommt bei manchen Medikamenten und Geräten die Anfälligkeit für extreme Temperaturen dazu. Jeder Motorradfahrer weiß, dass Batterien und Akkus bei sehr niedrigen und extrem hohen Temperaturen nicht so gut funktionieren wie bei normalen. Dazu kommt noch die Höhenempfindlichkeit der Geräte. Dies gilt es zu berücksichtigen bei der Funktionalität von Inhalator und Blutzuckermessgerät. Mein Messgerät streikt bei Temperaturen unter -5 Grad, auch bei Höhen über 4000 Meter hat es so seine Probleme. Die Inhalatorbatterien sind bei Kälte deutlich früher geleert, der Vernebler vernebelt auf höhen über 4500 Metern nahezu gar nicht mehr. Die Luft ist glücklicherweise dort oben so gut, dass der Inhalator meist überflüssig ist. Schwieriger wird es hier bei denjenigen, die neben dem reinen Kochsalz, welches man bei ausreichender Fitness auch mal ein paar Tage auslassen kann, noch andere Medikamente über den Inhalator aufnehmen müssen (vorher verschiedenen Modell und ihre Höhenfunktionalität testen).
Ist die Temperatur zu hoch, kann das Insulin auch an Wirksamkeit verlieren, jedoch deutlich langsamer als es bei Frost der Fall ist. Temperaturspitzen über 30 Grad setzen dem Insulin schon zu. Die Wirkintensität des Stoffs bei langer Exposition hoher Temperaturen lässt langsam aber stetig nach. Temperaturspitzen kann man leicht vermeiden, indem man das Insulin in eine Thermoskanne packt und mit etwas Polstermaterial umwickelt, um die Ampullen durch Vibrationen/Stürze nicht zu beschädigen. Diese Kanne am besten in einen geschützten Bereich der Satteltasche, weit weg vom Auspuff und den Außenwänden (sie werden bei schwarzen Taschen in der Sonne sehr schnell sehr heiß), umgeben von isolierender Kleidung, Schlafsack etc. verstauen. Das Insulin sollte dann maximal die Tag-/Nacht- Durchschnittstemperatur erreichen. Sollte diese in sehr heißen Gegenden deutlich über 30°C liegen (z.B. im südlichen Sudan passiert), dann kann man versuchen kalte, idealerweise gefrorene, Wasserflaschen zu kaufen und diese in unmittelbare Nähe der Thermoskanne verstauen. Ist man in Gegenden ohne Strom unterwegs, gibt es einen Trick, der immer funktioniert, vorausgesetzt man hat genug Wasser (falls man in diesen Gegenden nicht genug Wasser findet, hat man ohnehin ganz andere Probleme). Einfach ein helles Stück Baumwollstoff (T-shirt, Pulli, Handtuch) mit Wasser tränken und um die Satteltasche wickeln. Der Fahrtwind lässt das Wasser verdampfen (endotherme Reaktion) und kühlt dabei die Satteltasche.
Die oben genannten Probleme und Lösungsansätze können so für fast alle längeren Reisen in ähnlicher Form angewandt werden.
Nun möchte ich auf ein paar speziellere Herausforderungen der ersten sechs Monate unserer Überlandreise von Deutschland bis nach Kenia vom September 2020 bis März 2021 eingehen.


Zwei Wochen musste ich die neue Therapie mit Kaftrio/Kalyeco mangels Nachschub unterbrechen. Das führte zu ernsthaften Problemen. Hauptproblem war mein munter auf- und abtanzender Blutzucker und die vermehrte Bildung von Sputum in der Lunge. Nur mit sehr häufigen Messungen und täglicher Anpassung der Bolus Rate ist das Problem mit dem Zucker halbwegs in den Griff zu bekommen. Gegen das Füllen der Lunge mit Sputum hilft häufiges Inhalieren mit gezielter Atmung und Dehnen und Komprimieren der Atemhilfsmuskulatur. Das ist mitunter etwas anstrengend und führt zu Muskelkater im gesamten Brustbereich. Alternativen gab es aber in dieser Situation keine. Das 3%tige Kochsalz war auch schnell leer. In Tunesien und in den meisten anderen Ländern dieser Welt ist Kochsalz nur in den Konzentrationen 0,9% und 10% erhältlich. Wenn man 10%tiges Kochsalz mit destilliertem Wasser im Verhältnis 1:2 mischt (z.B. 10 ml 10%tiges Kochsalz, 20 ml destilliertes Wasser) bekommt man ungefähr 3%tiges. So kann man sich seine Dosis selbst mischen. Erst nach dreißig Tagen Wartezeit traf DAS Paket endlich ein und die Situation war entschärft. Mehr zu dieser Begebenheit im Bericht „Das Paket“ (https://www.xn--wetzlosweltwrts-clb.de/index.php/verschiedenes/das-paket)
Nach der Lieferung der Medikamente brachen wir nach Ägypten auf und von dort aus in den Sudan. Wegen der Schwierigkeiten mit dem ägyptischen Zoll (https://www.xn--wetzlosweltwrts-clb.de/index.php/reise/tunesien-aegypten) waren wir gezwungen einige Tage in Kairo und später ebenfalls wegen Problemen mit den Motorrädern fast drei Wochen in Khartum zu verbringen. In diesen riesigen, überbevölkerten, von LKWs verstopften, staubigen Millionenstädten ist die Luftqualität unterirdisch. Sämtliche körperliche Aktivität sollte man in die ganz frühen Morgenstunden und am besten aufs (Flach-)Dach des Hauses verlegen, wenn die Dunstglocke über der Stadt noch nicht ganz so dicht ist. Viel Inhalieren hilft etwas gegen den Staubhusten. Gegen Staub in der Unterkunft (Zeltplätze gibt es keine) hilft regelmäßiges Aufdrehen der Dusche. Am besten ist natürlich, solche Städte zu meiden oder zumindest nicht zu lange dort zu verweilen, wenngleich die Atmosphäre und der Trubel dort sehr faszinierend sein können. Wir achten dennoch auf der Reise darauf möglichst viel im ländlichen Raum, in den Bergen, Hochebenen, Steppen, Regenwäldern und Sandwüsten abseits der Ballungszentren und der großen Verkehrsadern unterwegs zu sein. Hier ist das Leben meist noch interessanter und die Leute freundlicher als in den Städten.
Sollte es trotz aller Vorsicht mal zu einer ernsten Lage kommen, ist ein guter Kontakt zu der heimischen Ambulanz sehr hilfreich. Am besten organisiert man für größere Unternehmungen die Privatnummern seiner Ärzte des Vertrauens. Falls es mal schnell gehen muss. Büros der meisten Krankenhäuser oder Ambulanzen sind in Deutschland noch im Mittelalter der technischen Entwicklung. Meist keine Erreichbarkeit über Internettelefonie, WhatsApp, Skype, Zoom und manchmal sogar keine Kommunikation per Email (sie haben ja ein Faxgerät :-D). Sehr unflexibel und wenig erfinderisch, was technische Lösungen angeht und oft nicht einmal telefonisch aus dem Ausland erreichbar, weil die Telefonzentralen gegen solche Anrufe abschirmen. Es ist für durchschnittliche Patienten mit kleinen Rückfragen aus Deutschland schon schwierig mal jemanden ans Telefon zu bekommen, für reisende Exoten, die aus dem Sudan anrufen und etwas über Tropenkrankheiten wissen wollen, ist es nahezu unmöglich.
Ausnahme hier ist unsere Gemeinschaftspraxis in Haunetal, die Praxis Dr. Klein in Schenklengsfeld und die Marktapotheke in Burghaun. Hier ist immer jemand erreichbar und sie setzen mit einem Anruf wirklich alle Hebel in Bewegung, egal ob kleine Medikamentenverordnungen oder wirklich kritische Situationen. Da sollten sich die großen Ambulanzen mal ein Beispiel nehmen. Nach vorheriger Terminvereinbarung, am besten per Email, da die telefonische Erreichbarkeit nahezu nicht existent ist, kann man auch bei der Mukoviszidose-Ambulanz in Gießen jemanden erreichen. Mittlerweile, durch Corona ermöglicht, sogar ein Arztgespräch über Videotelefonie führen. Die Überwachung meiner Leberwerte durch Blutabnahme vor Ort und Übermittlung der Ergebnisse per Email bekommen wir mittlerweile auch alle drei Monate hin. Es tut sich ein bisschen was in der Digitalisierung Deutschlands, aber Länder wie Kenia oder Tunesien sind uns viele Jahre voraus. Sie haben nicht die lähmende Kralle des völlig übertriebenen Datenschutzes am Bein und können in allen Sektoren des Lebens ergebnisorientiert und effektiv mit den digitalen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte arbeiten.
Soviel zur unmittelbaren Vorbereitung und den bis jetzt gesammelten medizinischen Erfahrungen auf den ersten Kilometern dieser Reise. Bis jetzt sind wir beide topfit, gut drauf und freuen uns über all die schönen Länder, die wir bereisen dürfen. Wie sich die neue Medikation beim Bergsteigen auf 5000 Metern schlägt und warum Krankenhäuser in Tansania effektiver sind als in Deutschland, gibt‘s im nächsten Medizinbericht zu lesen.
Im Folgenden noch ein paar nützliche Adressen von zuverlässigen Ärzten und günstigen Testzentren für PCR Tests auf unserer Route:
Tunesien
Arzt in Tunis
Dr. Samy Allagui
Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch
+216 98 302 990 (Telefon/Whatsapp)
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Koordinaten: 36,8386218, 10,1704095
Labor in Tunis
Laboratoire Mohamed Fateh Tebourbi
Englisch, Französisch, Arabisch
+216 71 729 788
Koordinaten: 36,8793575, 10,3272085
PCR 70€ (ohne Voranmeldung)
Ägypten
Labor in Assuan
Health Affairs Directorate – Aswan
Englisch, Arabisch
+20 97 2238442
Koordinaten: 24,0950831, 32,9087795
PCR 90€ (ohne Voranmeldung)
Sudan
Labor in Khartoum
English, Arabisch
Koordinaten: 15,5992518, 32,5283235
PCR 25€ (ohne Voranmeldung)
Kenia
Arzt in Nairobi
Dr. Linda Thorpe
Columbia Africa Healthcare Lavington Clinic
Englisch
+254 111 011500
Koordinaten: -1,2828541, 36,7664689
Labor in Nairobi
Meditest Diagnostic Service Ltd.
Englisch
+254 734 205430
Koordinaten: -1,2636870, 36,8087942
PCR 60€ (ohne Voranmeldung)